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Varusschlacht

Varusschlacht

Einer der berühmtesten überlieferten Aussprüche von Kaiser Augustus ist sein verzweifelter Ruf aus dem Jahre 9 n. Chr.: “Vare, Vare, redde legionis!“ (Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück!). Die 17., 18. und 19. Legion waren nämlich auf der rechten Rheinseite in einen Hinterhalt der Germanen geraten und vernichtet worden. Nur ein paar versprengte Reiter retteten sich zunächst in das Lippekastell Aliso und dann an den Rhein nach Xanten.

Seit es Geschichtswissenschaft in Deutschland gibt, ist nach dem Varus-Schlachtfeld immer wieder gesucht worden. Über 700 hypothetische Schlachtorte gibt es inzwischen - meist im Teutoburger Wald-, einer kristallisiert sich jetzt mehr und mehr als der tatsächliche Ort der dreitägigen Schlacht heraus. Er liegt aber nicht im Teutoburger Wald: Seit dem Herbst 1989 wird mit verblüffenden Ergebnissen bei Kalkriese in Niedersachsen, zwischen dem Nordabhang des Wiehengebirges und dem Großen Moor, gegraben. Eine Menge militärischen Gerätes und über 300 römische Münzen, davon keine über das Jahr 9 n. Chr. hinaus, lassen den Leiter der Grabungen, Dr. Wolfgang Schlüter vom Kulturhistorischen Museum Osnabrück, wissenschaftlich-vorsichtig sagen, diese Funde stünden alle “in engem Zusammenhang mit den Ereignissen des Jahres 9 n. Chr.”.

Der hundertprozentige Beweis fehlt noch, aber Schlüter ist ebenso überzeugt wie andere, dass sich hier ein Teil der dreitägigen Varusschlacht abgespielt hat.

Bewiesen haben die Archäologen aber schon dies: Zwischen dem Kalkrieser Berg und dem Großen Moor haben die Germanen den uralten Weg durch vorgeschobene Wälle in einen Engpass umgestaltet. Inzwischen steht sogar fest, dass hier ein ganzes System von Sperrwällen lag.

Durch Luftbildprospektion und eine Schnittgrabung ist 8 km östlich des Engpasses auf einem Sandrücken sogar ein typisch römischer Lagerwall entdeckt worden, der zu einem Marschlager des Varus (oder des Germanicus) gehört haben könnte (eine Feldgrabung steht noch aus). In Kalkriese aber haben sich die Funde an Militaria und Münzen genau vor dem ausgegrabenen germanischen Wall besonders gehäuft, unter dem Wall lag gar nichts und hinter dem Wall sehr wenig. Das zeigt deutlich, dass vor dem Wall schwere Kämpfe stattgefunden haben müssen. Hier vor dem Wall lag auch eine versilberte Ziermaske eines römischen Offiziers, inzwischen restauriert und schon jetzt das Prunkstück im Kulturhistorischen Museum in Osnabrück.

Bei den Prospektionen seit 1987 und den Grabungen seit 1989 sind mehr als 300 römische Münzen in Kalkriese zutage gekommen, und zwar 1 Aureus, 200 Denare und 100 Kupfermünzen. Vier Asse trugen den Gegenstempel VAR für Varus, viele andere die Gegenstempel IMP oder AVG. Die Gegenstempel beweisen, dass es Geld von Legionären war, denn zu besonderen Anlässen (wie etwa die Übernahme des Statthalteramtes durch Varus im Jahre 7 n. Chr.) wurden diese Gegenstempel aufgebracht und das Geld an die Legionäre als Geschenk oder Prämie verteilt. Vor allem der hohe Anteil der Schlussmünze in zwei Hortfunden und bei den Einzelfunden deutet darauf hin, dass alle Münzenim Jahre 9 n. Chr. in den Boden gekommen sind.

VarusschlachtDieser als „Schlussmünze“ bezeichnete Denar zeigt auf der Rs. die beiden Caesares Caius und Lucius.

Diese Schlussmünze aus Kalkriese ist der ab 2 v. Chr. in Lyon geprägte Denar des Augustus für seine Enkel Gaius und Lucius (RIC 350). Die zeitlich darauf folgenden Denare ab 12 n. Chr. sind in Kalkriese nicht vertreten. Die Masse der Kupfermünzen waren zwischen 8 und 3 v. Chr. in Lyon geprägte Asse des Augustus (meist mit Gegenstempel). Das gesamte Münzaufkommen in Kalkriese ist in seiner Zusammensetzung gleich mit den Münzfunden im Lippekastell Haltern, das ebenfalls 9 n. Chr. von den Römern geräumt wurde. Das sonstige Militärmaterial in Kalkriese besteht aus Pfeil- und Lanzenspitzen, Pilumzwingen, Dolabra-Äxten, Resten von Pferdegeschirren und Trosswagen, Schleuderbleien, Kettenpanzer-Resten, sogar ärztliche Instrumente und Siegel von Schreibtäfelchen fanden sich. Alle Fachleute sind sich einig: Nirgendwo anders ist soviel an Fundmaterial zutage gekommen wie hier in Kalkriese.

VarusschlachtBüste des Nero Claudius Germanicus

Nach diesen Funden könnte sich der Marsch des Varus von der Weser so abgespielt haben: Er wurde von Arminius vom normalen Weg längs der Lippe abgebracht und marschierte hinter dem Teutoburger Wald und dem Wiehengebirge Richtung Rheine, um von da südwestlich nach Xanten abzubiegen. Im Engpass bei Kalkriese griffen die Germanen an, wobei sich die gesamte Schlacht noch bis in die Gegend von Rheine hingezogen haben könnte.

Der einzige bekannte Römer, der das Schlachtfeld wirklich gesehen hat, ist der Feldherr Germanicus, der 16 n. Chr., über die Ems kommend, einen Rachefeldzug durchführte, wobei er plötzlich “haud procul” (so beschreibt es Tacitus), also nicht weit vom Varus-Schlachtfeld stand, dort dann die Toten bestattete und ein Ehrenmal errichtete (das die Germanen wieder zerstörten). Kein Geringerer als Theodor Mommsen hat schon 1885 diese Ereignisse bei Kalkriese stattfinden lassen, und zwar damals schon auf Grund der vielen Münzen, die hier gefunden worden und in eine Sammlung der Grafen Bar von Barenaue eingegangen waren (1945 wurde die Sammlung gestohlen).

VarusschlachtDieser Dupondius thematisiert die Rückeroberung der an die Germanen verlorenen Feldzeichen und den Sieg über die Germanen mit der Legende SIGNIS RECEPT, DEVICTIS GERM.

Der Rächer Germanicus eroberte im Jahre 16 übrigens auch zwei der Feldzeichen mit Adlern von den Germanen zurück, die in der Varusschlacht verloren gegangen waren. Sein Sohn Caligula, der 37 bis 41 römischer Kaiser war, ließ Münzen zu Ehren seines in Rom sehr verehrten Vaters Germanicus prägen. Auf der Vorderseite ist Germanicus in der Triumphal-Quadriga abgebildet, auf der Rückseite mit einem der Feldzeichen in der Hand. Die Beischrift lautet: SIGNIS RECEPT(is), DEVICTIS GERM(anis), also: “Die Feldzeichen sind zurückgegeben, die Germanen besiegt”.

Die Archäologen hoffen in Kalkriese vor allem auf schriftliche Beweise, vielleicht Eigentumsbezeichnungen, in denen eine Legion genannt wird. Eine einzige Inschrift gibt es bisher, einpunziert in eine Panzerhemdschließe: “M. AIVUS I FABRICI”, zu lesen als “Eigentum des Marcus Aius aus der ersten Kohorte” (einer unbekannten Legion) und der Hundertschaft unter Führung des Fabricius".

Der allersicherste Beweis für die Varusschlacht an dieser Stelle wäre natürlich ein Nachweis von Resten des Ehrenmals, das Germanicus sieben Jahre später auf dem Schlachtfeld errichtet hat.