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Kontorniaten und Tesserae

Der römische Schriftsteller Cassius Dio schildert folgende Szene, die sich während der Eröffnung des Kolosseums durch Titus im Jahre 80 ereignete. Er (Titus) ließ von oben kleine hölzerne Bälle in das Theater werfen, die mit verschiedenen Inschriften versehen waren. Dieser bezeichnete ein Lebensmittel, jener Kleidung, ein anderer silbernes oder sogar goldenes Geschirr, wieder andere Pferde, Arbeitstiere, Rinder oder Sklaven. Zuschauer, die Bälle gefangen hatten, trugen Sie zu einem Angestellten, der ihnen den bezeichneten Artikel auslieferte.

Solche hölzernen Bälle haben sich aus der römischen Antike nicht erhalten, aus Bronze aber Marken oder Zeichen, die ähnlichen Zwecken gedient haben. Die meisten dieser TESSERAE stammen aus dem 1. und 2. Jh. Viele tragen auf der Vorderseite das Bild eines Herrschers, auf der Rückseite eine römische Zahl. Sie mögen als Berechtigungsmarken für Lebensmittelspenden gedient haben. Der Kaiser verteilte regelmäßig Getreide und ™l an die Bürger Roms, um sich deren Wohlwollen zu versichern ("Panem et circenses" Brot und Spiele). Andere Marken dienten als Eintrittskarten für Circusspiele. Die Zahl hat möglicherweise einen Sitzbereich auf den Zuschauerrängen bezeichnet. Tesserae dienten auch als Spielsteine für Brettspiele, die von Kindern und Erwachsenen in Rom leidenschaftlich gespielt wurden.

Ein seit jeher beliebtes Sammelgebiet sind die Spintrien, Bordellmarken mit erotischen Darstellungen, die auf Kosten des Verteilers in Zahlung gegeben werden konnten. Auch die Spintrien wurden während der vom Kaiser oder von hohen Würdenträgern ausgerichteten Circusspiele unter das Volk geworfen. Diese halbstaatlichen Marken sind sehr gut gearbeitet und wurden sicherlich in der staatlichen Prägestätte hergestellt. Andere Marken, die meist aus Blei gegossen wurden, dienten privaten Zwecken. Es gab Eintrittsmarken für Bäder oder zum Theater, Marken für Geschäfte unter Kaufleuten oder Wirtshausmarken ähnlich heutigen Biermarken. Sicherlich dienten diese Marken auch als Kleingeldersatz in einer Zeit, als kleine Nominale nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung standen.

Medaillone, die von einem aufgehämmerten Rand oder zusätzlich mit einer vertieften Rille umgeben sind (italienisch contorno), werden als KONTORNIATEN bezeichnet. Sie wurden in der Zeit um 400 n. Chr. hergestellt. Die Darstellungen bringen eine verwirrende Vielfalt, die nichts mit der Einförmigkeit der zu dieser Zeit geprägten Münzen gemein hat. Die Vorderseiten zeigen beliebte Kaiser wie Augustus, Nero, Hadrian oder Constantin den Großen, daneben Schriftsteller wie Homer, Euripides, Horaz und Sallust, auch Staatsmänner wie Solon oder Alexander den Großen. Auf den Rückseiten dominieren Bilder, die mit Circusspielen in Verbindung gebracht werden können. Man sieht ein Wagenrennen im Circus Maximus, Gladiatorenkämpfe, siegreiche Wagenlenker, Ringkämpfer oder einen Orgelspieler. Auf vielen Kontorniaten ist das Monogramm PE oder ein Palmzweig als Siegeszeichen eingeritzt oder sogar in Silber eingelegt. Datierung und Bedeutung der Kontorniaten war lange Zeit umstritten und ist auch heute noch nicht vollständig geklärt. Die Medaillone haben eindeutig privaten Charakter. Sie sind sicher mit dem Amtsantritt hochgestellter Persönlichkeiten verbunden, die zu diesen Anlässen oft aufwendige Spiele veranstalteten. Auch mögen diese Stücke als Gaben zu Neujahr vergeben worden sein, denn viele Bilder erinnern an die einstige Größe Roms. Interessanterweise fehlen christlichen Symbole vollständig. Möglicherweise waren die Kontorniaten ein Propagandamittel der stadtrömischen heidnischen Aristokratie, die die Einführung des Christentums als Staatsreligion noch nicht akzeptiert hatte.

Manchmal findet der Münzsammler einen Sesterz aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert mit einem aufgehämmerten Rand. Diese Münzen gehören sicher zu den Vorläufern der Kontorniaten, ihre genaue Bedeutung ist aber noch nicht gesichert.