Römisches Lutetia
Lutetia ist der antike Name von Paris. Dieser Name ist keltischen Ursprungs, ist aber auch der Name der römischen Stadt, aus der sich das spätere Paris entwickelte. Der Ursprung und die Bedeutung des Namens Lutetia ist unbekannt. Erste Siedlungsreste auf dem Gebiet von Paris stammen aus der Zeit um 4000 v. Chr. Es gibt Reste aus der Bronzezeit und der Eisenzeit. Der Name Lutetia wird für das Jahr 53. v. Chr. zum ersten mal von Gaius Iulius Caesar genannt und als auf einer Insel liegend beschrieben. Nach Caesar war Lutetia der Hauptort des keltischen Stammes der Parisii. Archäologische Reste aus dieser Zeit sind jedoch spärlich, so dass nicht mit Gewissheit gesagt werden kann, wo sich genau die Keltenstadt befand. Historiker haben die Île de la Cité, eine Insel in der Seine als Standort der keltischen Stadt versucht zu identifizieren. Ausgrabungen haben dort jedoch so gut wie keine vorrömischen Reste zu Tage gefördert. Der Standort der keltischen Stadt bleibt ungewiss.
Die ältesten Reste (italische Amphoren, Fibeln) aus römischer Zeit, nach Eingliederung Galliens in das römische Reich, datieren um 40–30 v. Chr., fanden sich jedoch ohne Kontext, so dass wenig über eine frühe römische Siedlung ausgesagt werden kann. Es wird vermutet, dass die Stadt aus einem Militärlager hervorging, doch konnten bisher keine eindeutigen Belege dafür gefunden werden. Die eigentliche Stadt wurde wohl im frühen ersten nachchristlichen Jahrhundert gegründet und hatte drei Siedlungsschwerpunkte. Auf der linken Seite der Seine lag das eigentliche Zentrum. Die Île de la Cité, eine Insel, bildete einen weiteren Schwerpunkt, und auf der rechten Seite des Flusses gab es eine beachtliche Vorstadt. Die drei Stadtteile waren durch Brücken miteinander verbunden.
Die Stadt links (südlich) der Seine erhielt einen schachbrettartigen Stadtplan mit Häuserblöcken (Insulae) von 300×300 römischen Fuß Größe (88,8×88,8 m), wobei dieses Straßengitter anscheinend nicht strikt eingehalten wurde. Von Südosten gab es z. B. eine diagonal kommende Straße aus Lyon, die auf das Zentrum der Stadt führte. Obwohl es sich wohl um eine wichtige Stadt handelte, war Lutetia keine Provinzhauptstadt und erlangte seine Bedeutung wohl besonders als Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege.
Trotz der Bedeutung und Größe der Stadt scheint sie keine Stadtmauern gehabt zu haben. Als in der Mitte des dritten nachchristlichen Jahrhunderts die politische Lage in Gallien immer unsicherer wurde, schrumpfte die spätantike Stadt und zog sich größtenteils auf die Île de la Cité zurück. Teile der früheren Stadt wurden als Friedhöfe benutzt, doch scheinen die links von der Seine liegenden Stadtteile nie ganz verlassen worden zu sein. Der Historiker Ammianus Marcellinus spricht von Lutetias innererer Vorstadt (suburbia), was auf verschiedenen Stadtteile hindeutet. Teile der Stadt wurden als Steinbruch benutzt. Um 300 taucht zum ersten Mal der Name Paris auf. Der Ort blieb aber politisch wichtig: Seit 355 residierte in Lutetia der Caesar (Unterkaiser) Julian Apostata, der dort 360 zum Augustus (Oberkaiser) ausgerufen wurde. In seinen Misopogon gibt er eine kurze Beschreibung der Stadt:
"Ich hielt mich damals im Winterquarter in meinem lieben Lutetia auf: So nennen die Kelten den Hauptort der Parisier. Die Zitadelle liegt auf einer kleinen Insel mitten im Fluss, rings von einer Mauer umgeben, hölzerne Brücken führen von beiden Ufern hinüber."
Der Ort war auch 365–366 Residenz für die Germanenfeldzüge Valentinians I. Auf der Île de la Cité konnten die Reste eines Palastes, wohl die von Julian erwähnte Zitadelle, die auch noch im Mittelalter benutzt wurde und einer Basilika entdeckt werden. Beide Bauten sind zu Teilen aus Spolien errichtet und datieren in das 4. Jahrhundert.
Der Palast war ca. 1 ha groß. Die Basilika, die wohl drei Schiffe hatte, nahm eine Fläche von 70×35 m ein. Im 4. Jahrhundert erhielt die Stadt auf der Insel auch eine Stadtmauer, die noch im frühen Mittelalter stand. Wenig kann zum frühen Christentum in der Stadt gesagt werden. Unter der Notre-Dame liegen die Reste der merowingischen Kirche, die Basilique Saint-Etienne. Lange Zeit wurde vermutet, dass sich unter diesem Bau eine römische Kirche befunden haben muss. Ausgrabungen konnten dies jedoch nicht bestätigen. Hier standen bis ins dritte Jahrhundert reiche Wohnbauten. Als erster Bischof (und auch Märtyrer) wird in späteren Quellen Dionysius von Paris genannt. Der erste urkundlich gesicherte Bischof war Victorinus, der um 346 amtierte.