Isis
Eine ägyptische Gottheit in Rom
Der Isiskult ist uns aus Ägypten seit der 5. Dynastie um 2400 v. Chr. bekannt, der Zeit nach dem Bau der großen Pyramiden von Gizeh. Zu jener Zeit nahm der Osiriskult feste Formen an und wurde zur Grundlage des Totenglaubens. Der weiblichen Gestalt, die den gestorbenen Osiris beklagt, gaben die Ägypter den Namen Isis, der Thron bedeutete. Das gemeinsame Kind von Isis und Osiris, postum gezeugt, war Horus, die mythische Erscheinungsform des ägyptischen Königs.
Von Unterägypten breitete sich der Kult über das ganze Land aus. Isis wurde schließlich als Himmelskönigin, Weltherrin und Schöpferin aller Kultur die bedeutendste Gottheit Ägyptens. Sie eroberte das gesamte Mittelmeergebiet, ist im 1. Jahrtausend v. Chr. in Phönizien nachweisbar, seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Athen und 200 Jahre später gibt es erste Spuren ihres Kultes in Italien. In christlicher Zeit hielt sich dieser heidnische Kult am längsten. Erst 560 n. Chr. wurde der Isistempel von Philae durch Kaiser Justinianus geschlossen.
In der Antike konnten Religionen oder Kulte meist problemlos bei neuen Völkern Fuß fassen, da nur wenige Kulturen allein einen Gott anbeteten. Auch die Römer machten von diesem Prinzip nur eine Ausnahme, nämlich dann, wenn der neue Kult eine Gefahr für den Staat darstellte. Im 1. Jahrhundert vor Christus entwickelte sich der Isiskult zu einem Kristallisationspunkt der religiösen und politischen Gärung in den unteren Volksschichten. Die oft geheimnisvollen Mysterien besaßen eine größere Anziehungskraft als die offiziellen staatlichen Kulte und der religiöse Fanatismus verstieß häufig gegen die römischen Sitten. Auch in der vornehmen Gesellschaft gewann Isis mehr und mehr Anhänger, wie entsprechende Motive auf Gemmen zeigen. Ein Kultzentrum scheint die Münzstätte in Rom gewesen zu sein, die Münzarbeiter sind für jene Zeit ausdrücklich als Isisanhänger bezeugt. Auf Münzen finden sich Isis-Symbole als Kontrollzeichen und es ist sicherlich kein Zufall, daß ein Isisheiligtum am kapitolinischen Hügel erbaut wurde, in der Nähe der Münzstätte.
Im Jahre 64 v. Chr. ordnete der Senat die Auflösung sowohl der Isis-Kultgemeinschaft als auch aller anderen kultischen Organisationen an, die eine Gefahr für die Gemeinschaft zu sein schienen. Der Tempel der Isis am Kapitolshang wurde zerstört, schlagartig finden sich keine Kontrollzeichen aus dem Bereich des Kultes mehr auf den Münzen. Die religiöse Gemeinschaft war mittlerweile jedoch bereits so stark gefestigt, daß sie allen Angriffen des Staates standhielt. Nach jeder Zerstörung bauten die fanatischen Anhänger ihren Tempel wieder neu auf. Während der Bürgerkriegszeit um 50 v. Chr. setzten einige einflußreiche Politiker so Crassus und der Volkstribun Clodius die mittlerweile bedeutende Kultgemeinde zu politischen Zwecken ein. Schließlich wurde der Kult legalisiert und im Jahre 43 v. Chr. beschlossen die Triumvirn sogar einen Tempelbau innerhalb des heiligen Bezirkes.
Der wichtigste Tempel stand auf dem Marsfeld, an der Stelle der heutigen Kirche Santo Stefano del Cacco, in der Nähe des Pantheons. Es war ein Doppelheiligtum für Isis und Serapis. Den Vorhof des Heiligtums schmückte ein Obelisk, der heute den Vierströmebrunnen Berninis auf der Piazza Navone bekrönt. Der kleine Tempel der Isis ist uns durch eine Münze Vespasians aus dem Jahre 71 n. Chr. bekannt. Auf vier korinthischen Säulen lag ein Querbalken, geschmückt mit einer Sonnenscheibe. Der Giebel war nicht wie bei einem normalen Tempel dreieckig, sondern halbkreisförmig. Ihn schmückte vor einem Sternenhimmel die Göttin auf einem Hunde reitend Isis Sotheris als Verkörperung des Hundssternes, der die Nilflut bringt. Durch die Tempeltür, die von Sonnenaufgang bis zum Abend geöffnet blieb, sah man im Allerheiligsten die Statue der Göttin.
Der Isiskult zog besonders Frauen an und damit war das Heiligtum für beide Geschlechter ein sehr geeigneter Ort, neue Bekanntschaften zu knüpfen. Der römische Dichter Ovid empfiehlt in seiner "Liebeskunst": Sei dir nicht zu gut für den Tempel der leinengekleideten Kuh aus Memphis. Viele Frauen macht sie zu dem, was selber für Jupiter einst sie gewesen.